Universal-Öl zum Auffüllen - Ein Motoröl für alle Fälle?

24.06.2020 Allgemein

Verstehen und verstanden werden

Die Welt steht still. Neue Nachrichten über Corona nehmen wir mit unaufgeregtem Gleichmut hin. Wieder eine neue Lockerung der Corona-Regeln die jedes Bundesland unterschiedlich durchsetzt. Experten sind heute dieser und morgen jener Meinung. Man weiß kaum noch wo welche Einschränkungen gelten und wo nicht (mehr). Im Zeitalter frei verfügbarer Informationen ist es für uns jedoch ein leichtes das Smartphone zu befragen und unklare Dinge zu verifizieren.

Das hat nun auch die Automotive-Industrie erkannt, und möchte mit Ehrlichkeit überzeugen und Kunden gewinnen. Jahrzehnte hat man dafür gesorgt das Werkstattkunden die Rechnungen einfach bezahlen und nicht hinterfragen. Dafür sorgte die „KFZ-Werkstatt-Sprache“, welche dem lateinischen Ärzte-Kauderwelsch ähnelte. Schlechte Nachrichten, die hohe Reparaturrechnungen erklären sollten, wurden in Fremdwörter (techn.Fachausdrücke) gehüllt, damit der Laie schon nach Punkt 3 der Werkstattrechnung nicht mehr weiß worum es geht, und lieber die EC-Karte durchs Lesegerät zieht als sich Punkt 4 auf dem Papier erklären zu lassen.

Die offensive Ehrlichkeit

Aus dieser neuen Authentizität heraus wurde vermutlich das Universal-Öl geboren. Seit Jahren hat man uns klein gehalten und immer wieder die gleiche Story erzählt. Man benötige unbedingt das Öl mit der Spezifikation XYZ für sein Fahrzeug. Und man dürfe auch NUR dieses spezielle Öl verwenden sonst erlischt die Garantie, oder man hätte im schlimmsten Fall einen Motorschaden. Die Folge: Kunden mit Angst bringen ihre Fahrzeuge zur Inspektion, oder zur Reparatur. Die Angst, man könnte dem -weitgehend unbekannten- „Ding“ mit dem Motor durch den Wunsch nach günstigerem Motoröl, welches man selbst im Internet bestellt hat, einen bleibenden Schaden zufügen.

Unbegründet wie sich jetzt erweist. Man geht jetzt auf den Kunden zu, und möchte mit offensiver Aufklärung ein universelles Öl vermarkten. Passend für den Sportwagen mit SAE 0W-40 sowie auch für den alten Traktor von Bauer Siggi mit 5 Jahre altem SAE 30 Einbereichs-Öl. Toll! Jegliche Skepsis ist scheinbar unbegründet und wird mit der Information untermauert, dass die Zugabe von bis zu 1 Liter Öl und/oder Additive mit anderer Spezifikation und/oder Viskosität vom Fahrzeughersteller ja erlaubt sei, sofern der nachgefüllte Liter vom selben Hersteller stammt. So möchte man verständlicherweise die eigenen Marktanteile schützen.

Öl-Notstand

Jetzt werden sich bestimmt einige an ihre letzte Odyssee erinnern, als kurz nach Überquerung des Brenners die Öl-Warnlampe mit süffisantem gelben Licht nach einem Liter Öl verlangte, welchen man doch neulich vorm Supermarkt eingefüllt hatte. Prompt leuchtet passend zur Farbe Ihrer Warnleuchte auch Ihr Kopf stress-rot. Wie war doch gleich die Freigabe oder Spezifikation? „Schatz, welches Öl hab ich damals bei der Werkstatt gekauft?“ „Papa, was ist das für eine kleine rote Gießkanne die beim Tacho blinkt?“ Das ist Stress pur auf der Fahrt in den Urlaub, aber von nun an Geschichte. Einfach entspannt ins nächste Öl-Regal greifen und das Universal-Öl kaufen. So einfach geht das jetzt.

Jeder technisch versierte Leser rauft sich schon die Haare und rollt mit den Augen. Mit Recht! Hat man doch schon immer der Familie und den Freunden geraten, bei Öl-Notstand besser ein sofort greifbares Motoröl einzufüllen, als weiterhin mit leuchtender Warnlampe zu fahren, bis man beim nächsten Vertragshändler schlussendlich einen Liter mit der korrekten Freigabe bekommt. Denn Schmierung sei grundsätzlich immer deutlich besser als Mangelschmierung.

Motoren sind nicht lernfähig

Und um es zu verdeutlichen: Man kann einem Verbrennungsmotor grundsätzlich nicht „beibringen“, dass er z.B. mit einem 5W-30 nach Freigabe XYZ zu funktionieren hat, und sobald man beispielsweise ein Motoröl mit einer anderen Freigabe einfüllt, dieser umgehend seinen Dienst einstellt und mit den Fäusten an die Motorhaube trommelt wie eine 4 jährige im Streichelzoo. Das geht nicht!

Selbstverständlich haben Freigaben und Spezifikationen mehr Sinn als Kunden und Verbraucher zu verunsichern. Sie wurden im Zuge der technischen Evolution moderner Motoren auch an deren Ansprüche angepasst. Und ja, selbstverständlich kann der Einsatz „einfacher“ Öle in neueren Motoren, oder eben „modernere“ Öle in älteren Motoren möglicherweise zu einem Problem werden. Aber eben nur langfristig und nicht im hier thematisiertem Notfall.

Fazit:

Die Verunsicherung für den Verbraucher ist jetzt möglicherweise noch größer geworden als vor dem Erscheinen des Universal-Motoröls. Wem kann man trotz der „neuen Ehrlichkeit“ noch glauben? Wird mir in meiner Stammwerkstatt von nun an ein „Universal-Öl“ eingefüllt, oder kann ich darauf vertrauen dass meinem Wunsch nach Perfektion nachgekommen wird, und ich auch das Öl mit den vom Fahrzeughersteller geforderten Freigaben bekomme? Wem möchte ich künftig vertrauen?

Vertrauen wir doch vorerst wieder auf Opa, der da einst sagte: „Wer gut schmiert, der gut fährt!“

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